Kampf um Boden im Namen des Klimaschutzes

Atlas

Böden spielen eine große Rolle für Klimaschutzmaßnahmen: als Kohlenstoffspeicher, als Fläche zur Aufforstung und für die Erzeugung klimaneutralen Treibstoffs. Doch solche landintensiven Projekte können zu Konflikten führen. Eine Lösung für diesen globalen Landnutzungswandel ist nicht in Sicht. 

In vielen Ländern, die sich zum Schutz von Biodiversität verpflichtet haben, herrschen keine förderlichen Rahmenbedingungen für Wiederbewaldung
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In vielen Ländern, die sich zum Schutz von Biodiversität verpflichtet haben, herrschen keine förderlichen Rahmenbedingungen für Wiederbewaldung

Im Zentrum des Pariser Klimaabkommens steht das Ziel, die durchschnittliche Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die Versuche, die Wirtschaft zu einer klimaneutralen zu transformieren, beruhen auf der Annahme, dass erstens Emissionen deutlich reduziert und zweitens Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO₂) der Atmosphäre entnommen und gebunden werden müssen. Das zentrale Ziel dieses kombinierten Vorgehens ist das Erreichen der Netto-Null. Damit ist das Bestreben gemeint, die Emissionen klimaschädlicher Gase so weit wie möglich in Richtung Null zu reduzieren – und die unvermeidbare Menge an Treibhausgasen durch Speicherung in Bäumen, Böden oder durch andere Verfahren zu kompensieren.

Gebunden werden könnten Treibhausgase zum Beispiel durch das „Carbon Capture and Storage“-Verfahren (CCS). Dabei soll CO₂ bei industriellen Prozessen abgeschieden, transportiert und in unterirdischen Lagerstätten gespeichert werden – anstatt es in die Atmosphäre freizusetzen. Andere Möglichkeiten, um Klimagase zu binden, die die Zustimmung von Umweltverbänden finden, sind naturbasierte Maßnahmen: die Wiedervernässung von Mooren, der Schutz und das (Wieder-)Aufforsten von Wäldern sowie die nachhaltige Bewirtschaftung von Weiden und Agrarland.

Bodenatlas 2024 Cover

Der Bodenatlas 2024

Der Bodenatlas beleuchtet in 19 Kapiteln nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Naturbasierte Klimaschutzmaßnahmen wie der Schutz von Wäldern oder die Bewaldung von Brachen werden von Staaten und Unternehmen im großen Maßstab als CO₂-Kompensationsmaßnahme genutzt. Um ihre Emissionen auszugleichen, investieren auch große deutsche Unternehmen in landintensive Projekte – der Kosmetikhersteller Beiersdorf beispielsweise in Paraguay. Die nationalen Klimaschutzverpflichtungen fast aller Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beinhalten naturbasierte Klimaschutzmaßnahmen, die einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar ergeben. Das entspricht fast der dreifachen Gesamtfläche der Europäischen Union.

Um dem Netto-Null-Ziel näher zu kommen, müssen auf etwa 550 Millionen Hektar beschädigte Ökosysteme restauriert werden – und auf etwa 630 Millionen Hektar wird voraussichtlich eine Änderung der Landnutzung erforderlich. Dies bedeutet beispielsweise die Umwandlung von Agrar- in Forstland, was in der Folge die bestehenden Landrechte etwa von Bäuer*innen, Hirt*innen und indigenen Gemeinschaften einschränken kann. Bereits in der Vergangenheit kam es zu Konflikten bei landintensiven Klimaprojekten, die Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung minimieren sollten. Es ist die menschenrechtliche Verpflichtung von Staaten, die Landrechte lokaler und indigener Bevölkerungen zu schützen. Das heißt, es bedarf gut funktionierender staatlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen, um Netto-Null-Maßnahmen verantwortungsbewusst umzusetzen.

Oft ein Unterschied: Legitime und juristische Landrechte. Auch im Namen des Klimaschutzes wird Indigenen Boden streitig gemacht
Oft ein Unterschied: Legitime und juristische Landrechte. Auch im Namen des Klimaschutzes wird Indigenen Boden streitig gemacht

Zu den Ländern, denen das größte Potential für naturbasierten Klimaschutz zugeschrieben wird, gehören beispielsweise die Demokratische Republik Kongo und Kolumbien. Dort sind staatliche Institutionen vor allem in ländlichen Regionen wenig präsent und oft kaum handlungsfähig. In den Anrainerstaaten des Kongobeckens und des Amazonas befinden sich riesige Regenwälder, die oft als Lungen des Planeten bezeichnet werden. Waldschutzprojekte verletzen dort immer wieder die Rechte lokaler und indigener Gemeinschaften. Wiederholt wurde beispielsweise der Zugang zu Wäldern und damit zu traditionellen Heilpflanzen, Nahrungsmitteln und Kulturstätten erschwert. Immer wieder kommt es auch zu gewaltsamen Vertreibungen bis hin zur gezielten Tötung von Menschen, die ihre Landrechte verteidigen.

Gegenwärtig ist kein umfassender internationaler Ansatz erkennbar, mit dem der Bedarf an Land reguliert werden könnte, der durch die Klimaziele entsteht. Der Schutz von Landrechten muss daher integraler Bestandteil zukünftiger Klimapolitik sein. Dabei geht es auch um das Erreichen der Klimaziele selbst. Wenn Landrechte nicht gesichert sind, entfallen die Anreize, den Kohlenstoff in Wäldern und Böden durch verantwortungsvolle Landnutzung zu halten. 

Druck auf Land in Afrika: Viele dortige Staaten haben die stärkere Nutzung von Böden und Bäumen als Kohlenstoffspeicher versprochen
Druck auf Land in Afrika: Viele dortige Staaten haben die stärkere Nutzung von Böden und Bäumen als Kohlenstoffspeicher versprochen